Die Mondträumer - Johannes Kepler und Jules Verne - Dr. Christian Pinter - Populäre Vorträge

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Die Mondträumer - Johannes Kepler & Jules Verne
Während Galileo Galilei das Fernrohr zum Himmel richtet, greift Johannes Kepler zur Feder: Er verfasst eine der frühesten Science-Fiction-Erzählungen der Weltliteratur.

In seinem „Mondtraum“ versetzt er den Leser auf den Erdbegleiter, um ihn aus höchst ungewohnter Perspektive auf die bewegte Erde blicken zu lassen.

Damit möchte Kepler eine Lanze für das umstrittene, ab 1616 sogar verbotene Weltbild des Kopernikus brechen.
Noch ahnt Kepler nicht: Das Manuskript bringt seine Mutter Katharina ins Lebensgefahr, wird offenbar zur Munition im Hexenprozess gegen sie. Kepler, gerade in Linz, kämpft verbissen um ihre Freilassung.

Im 19. Jahrhundert nimmt dann Jules Verne seine Leser zweimal mit zum Erdbegleiter - mit seinen Romanen "Reise zum Mond" und "Rund um den Mond". Der Franzose sah darin einiges voraus, das später, im Apollo-Zeitalter, Wirklichkeit wurde. Wie konnte ihm das gelingen?  
Ausführlichere Zusammenfassung
Ab 1609 richtet Galileo Galilei das junge Fernrohr immer wieder zum Mond, hält das Gesehene in Zeichnungen fest (Beispiel links).

Johannes Kepler ist davon faszinert. Er greift zur Feder, will sich auf andere Weise mit dem Mond beschäftigen.

Der Schwabe bringt eine Traumerzählung zu Papier; eine frühe Science-Fiction-Geschichte. Darin versetzt Kepler den Leser auf die Oberfläche des Mondes.


Kepler setzt auf weise Geister, die er, recht unglücklich, "Dämonen" nennt. Sie nützen Mondfinsternisse zur Mondreise, denn dabei fällt der kühle Schatten der Erde auf den Erdtrabanten.

Von dieser tagsüber sehr heißen, nachts bitter kalten Mondwelt aus lässt Kepler seine Leser auf die Erde schauen. Sie dreht sich um sich selbst und zieht durch die Sternbilder. Mit diesem Anblick will Kepler die Leserschaft bereit machen für den großen kopernikanischen Perspektivenwechsel.

Denn die allermeisten seiner Zeitgenossen wähnen die Erde noch im Zentrum des Universums und sprechen ihr jede Bewegung ab. Sie trauen ihr weder die Rotation um eine Achse zu, noch glauben sie, dass die Erde um die Sonne zieht.

Foto links: NASA/LRO
In deren altem, erdzentrierten Weltbild jagt statt dessen der ganze Kosmos tagtäglich um eine absolut ruhig gestellte Erde herum, mitsamt seinen Sternen, der Sonne und den Planeten. Das entspricht dem naiven Augenschein. Nikolaus Kopernikus hat 1543 zwar einen ausgefeilten Gegenentwurf publiziert – doch 1616 verbot es der Vatikan, die kopernikanische Weltsicht zu lehren. Der Protestant Kepler tritt trotzdem für sie ein.
Kepler (links sein Denkmal in Weil der Stadt) bevölkert seinen Mond mit allerlei seltsamen Wesen. Auch damit bricht er eine – philosophische – Lanze für Kopernikus.

Denn in dessen Kosmologie weilt die Erde ja nicht mehr an einem einzigartigen Ort, nicht mehr in der kosmischen Mitte. Sie zieht vielmehr wie die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn um die Sonne.
Ist die Erde nur einer von mehreren Planeten, lässt sich leichtherziger über die Existenz von Leben auf anderen Himmelskörpern spekulieren.

Ganz nebenbei weist Kepler die für uns schwer erkennbare Rotation des Mondes nach: Rotierende Himmelskörper stützen ebenfalls die verbotene kopernikanische Lehre.

Foto links: Kopernikus-Denkmal in Warschau
In seinem Roman bemüht Kepler Dämonen als „Antrieb“ für seinen Mondflug und erwähnt Gestalten, die an fliegende Hexen erinnern.

Die Mutter der Hauptfigur bereitet Kräuteressenzen zu. Das macht Keplers Mutter Katharina auch. Der streitbaren Frau wird in Leonberg Schadenszauber nachgesagt. Man verdächtigt sie schließlich, eine Hexe zu sein und nimmt sie fest. Kepler befasst sich mit der abstrusen Denkweise der Ankläger, zweifelt die Glaubwürdigkeit der Zeugen an und weist Widersprüche in deren Aussagen nach. Er agiert wie ein geschickter Strafverteidiger.

Die alte Frau, die selbst unter Androhung der Folter nicht gesteht, wird freigelassen. Sie stirbt ein halbes Jahr später.

Foto links: Jakob Wilhelm Fehrle schuf für den Eltinger Dorfbrunnen die Figur einer Schnitterin. Sie ist Katharina Kepler gewidmet
Um weitere Missverständnisse zu vermeiden, versieht Kepler seinen Roman danach mit einer Reihe erklärender Anmerkungen. Sie brauchen letztlich ähnlich viel Raum wie die Traumerzählung selbst.

Das Werk erscheint außerdem erst Jahre nach seinem Tod, unter dem Titel Somnium - Traum.

Fotos links: Keplers Roman, heute auch "Mondtraum" genannt

Als der Franzose Jules Verne 1828 geboren wird, steht die Bewegung der Erde außer Streit. Hexenverbrennungen gibt es in Europa nicht mehr. Die Welt ist eine andere geworden, auch technisierter.

Vernes Genre sind Berichte über fiktive, außergewöhnliche Reisen. Dazu zählen auch die beiden Mondflug-Romane „Von der Erde zum Mond“ (1865) und „Reise um den Mond“ (1869).

Der Inhalt:

Als der US-amerikanische Bürgerkrieg endet, steht der in Baltimore gegründete Gun Club vor der Auflösung. Seine Mitglieder, in erster Linie Artillerieexperten, sehen angesichts des bevorstehenden „unfruchtbaren“ Friedens keine Herausforderungen mehr.
So kommt der Club-Präsident Impey Barbicane auf die Idee, eine Riesenkanone zu bauen – um damit ein Projektil auf den Mond abzufeuern.

Während des Kanonenbaus wandelt sich das Projekt: Nun sollen drei Menschen mitfliegen. Sie wollen eine Kolonie auf dem Mond gründen, zumal ihre Rückkehr ausgeschlossen ist. Allerdings verfehlt das Raumschiff den Mond.

Es umrundet den Erdtrabanten und stürzt, nachdem die Passagiere die Mondlandschaften ausgiebig vom All aus studiert haben, wieder auf die Erde zu. Die überraschenderweise nun doch zurückgekehrten Abenteurer werden wie Halbgötter verehrt.
Verne nahm in diesen beiden Science-Fiction-Romanen erstaunlich viel vorweg, das rund 100 Jahre später, im Zeitalter der Apollo-Mondflüge, Realität werden sollte. Der Bogen reicht vom Startplatz im südlichen Florida, über das große Interesse der Öffentlichkeit am schließlich bemannten Flug bis hin zum feurigen Wiedereintauchen des Schiffs in die Lufthülle samt Wasserung.

Wie konnten Verne derartige Blicke in die Zukunft gelingen?
Artikel in der Wiener Zeitung

Vor 150 Jahren erschien Jules Vernes Roman "Von der Erde zum Mond“.
Wiener Zeitung (extra), 24.10.2015
https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/literatur/782202-Prophetischer-Gedankenflug.html?em_no_split=1

Wiener Zeitung (extra), 8.12.2019
https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/literatur/2041247-Die-Mondreisevon-Jules-Verne.html?em_no_split=1

Entwicklung der Raketentechnik: Wiener Zeitung (extra), 2.6.2018,
https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/technologie/967873-Die-Vaeter-der-Raumfahrt.html

Jules Verne und die Polschmelze: Wiener Zeitung (extra), 19.6.2016,
https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/vermessungen/825664-Unerwuenschte-Waerme.html
Literatur

Zu Johannes Keplers Mondtraum

    • Ludwig Günther: Keplers Traum vom Mond (19. Jh.)
    • siehe auch http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/15537/1/traum.pdf
    • The Dream by Johannes Kepler – A Posthumous Work of Lunar Astronomy
    • Christian Pinter: Helden des Himmels (Kremayr & Scheriau, 2009)


Jules Verne

    • Jules Verne: Von der Erde zum Mond
    • Jules Verne: Reise um den Mond
    • Jules Verne: Reise durch das Sonnensystem / Der Schuss am Kilimandscharo
Text und Fotos (sofern nicht anders vermerkt) © Christian Pinter
Alle Angaben ohne Gewähr  

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