Giordano Bruno - ein Märtyrer der Wissenschaft? - Dr. Christian Pinter - Populäre Vorträge

Direkt zum Seiteninhalt
Giordano Bruno - ein Märtyrer der Wissenschaft?


Im Januar 1548 wurde Giordano Bruno geboren. Die Hinrichtung am Campo de' Fiori in Rom machte ihn unsterblich. Obwohl seine Methodik wenig mit moderner Wissenschaft zu tun hatte, führte sie in der Kosmologie teilweise zu Erkenntnissen, die wir heute als gesichert oder wahrscheinlich erachten.
  • Bruno sprach bereits im 16. Jh. von einem Universum ohne Grenzen, in dem jeder Beobachter bloß den Eindruck hätte, im Mittelpunkt zu weilen.

  • Er sagte die Existenz weiterer Planeten im Orbit um unsere Sonne voraus.

  • Er entlarvte die Fixsterne als ferne Sonnen und stattete diese ebenfalls mit Planeten aus.

  • Für ihn war ein Teil dieser Welten bewohnt. Auf manchen, so meinte er, könnte "etwas besseres" als die Menschheit existieren - was für eine Beleidigung!
Bruno war ein früher Anhänger der kopernikanischen Lehre, überwand deren Grenzen aber in radikalster Weise. Warum inhaftierte man ihn in Venedig, warum machte man ihm in Rom den Prozess? Ging es dabei wirklich um seine Naturphilosophie oder nicht vielmehr um seine religiöse Anschauung?

Was war an diesem Unendlichkeitsphilosophen so gefährlich, dass man seinem Leben schließlich ein gewaltsames Ende bereitete? Und warum bestrafte man Bruno so viel härter als 33 Jahre später Galileo Galilei?
Ausführliche Zusammenfassung


Zu Giordano Brunos Lebzeiten ruht die Erde für die allermeisten Menschen ohne jede Bewegung im Mittelpunkt des Kosmos. Sonne, Wandelgestirne, Fixsterne: Alles scheint sich täglich um die Erde herum zu drehen. Nikolaus Kopernikus hatte 1543 zwar die Erde in Rotation um ihre Achse versetzt und um die Sonne kreisen lassen – doch das mutet noch völlig absurd an. Zu den wenigen frühen Kopernikanern zählt der Italiener Giordano Bruno. Er denkt das kopernikanische Weltbild in radikalster Weise weiter.  

Um 1584 fasst er seine kosmologischen Vorstellungen zusammen. Das geschieht zweieinhalb Jahrzehnte vor Erfindung des Fernrohrs und auf rein spekulative Art!  

- Es gibt für Bruno mehr als sechs Himmelskörper, die um unsere Sonne kreisen (richtig; man wird später zwei weitere Planeten und hunderttausende Kleinplaneten finden).

- Manche dieser damals noch unentdeckten Körper sind der Sonne sogar näher als die Erde (richtig, wenngleich Bruno deren Größe stark überschätzt).

- Die Oberflächen dieser Himmelskörper  sind – sinngemäß  - unterschiedlich hell (richtig).

- Sterne sind Sonnen wie die unsrige (richtig) und können größer oder kleiner sein als diese (richtig; die meisten sind übrigens kleiner)
- Sterne sind nicht an der Fixsternsphäre befestigt, sondern stehen in höchst unterschiedlichen Erddistanzen (richtig). Der Raum zwischen ihnen ist mit einer Äthersubstanz gefüllt (falsch) oder völlig leer (richtig).

- Um diese fernen Sonnen kreisen Planeten (richtig; nachgewiesen ab 1995). Diese können größer oder kleiner sein als die Erde (richtig). Ein Teil davon mag einfache oder zusammengesetzte Lebewesen beherbergen wie die Erde (mithilfe der Spektralanalyse suchen Astronomen heute nach Gasen, die solches anzeigen).
- Es gibt es eine Vielzahl an Welten (richtig). Ein Teil der dortigen Geschöpfe könnte etwas Besseres sein als die Menschheit.

- Das Universum hat keinen Mittelpunkt und keinen Umfang (richtig). Es ist grenzenlos (richtig) und unendlich groß (unbewiesen).

- Alle Himmelskörper rotieren um ihre Achsen (richtig).  Daher hätten die Bewohner anderer Welten ebenso den Augenschein, sie weilten in der kosmischen Mitte und der Kosmos drehe sich nur um sie herum (logisch korrekt).  

- Es existiert kein ausgezeichneter Ort im Raum (richtig). Positionen darin lassen sich immer nur in Bezug auf andere Objekte beschreiben (richtig).

- Das Universum wurde weder erschaffen, noch wird es irgendwann vergehen (da scheiden sich die Geister).
In der naiven Vorstellung von Brunos Zeitgenossen schließt das Reich Gottes räumlich an einen kugelförmigen Kosmos an. Da Brunos Kosmos unendlich groß ist, bleibt dafür augenscheinlich kein Platz mehr. Für Bruno ist die Gottheit aber nicht in der Ferne zu suchen, sondern in uns selbst. Sein Gott ist ebenso unendlich wie sein Universum.

Gott steckt für Bruno in allen Dingen der Natur, beseelt alles. Der Nolaner hängt einem mystizistischen Allgottglauben (später „Pantheismus“ genannt) an. Dieser leugnet die Existenz Gottes nicht, besitzt aber ein gänzlich anderes Gottesverständnis. Im Übrigen glaubt Bruno nicht an Himmel, Fegefeuer oder Hölle – sondern an die Seelenwanderung.
Seinen unendlichen Gott zu teilen, mutet Bruno irrational an, ebenso wie die Dogmen des Christentums. Mit der Leugnung der Dreifaltigkeit (Foto links: Dreifaltigkeitssäule in Klagenfurt) sägt Bruno an dessen Fundament. Nebenbei benötigt sein Gottesverständnis weder Papst noch Kirchenhierarchie.

Erschwerend kommt hinzu, dass Bruno einst Mönch und Priester war und danach theologische Vorlesungen hielt.

Der Nolaner wird von der Inquisition zuerst im liberaleren Venedig verhört. Laut den Protokollen ist das kopernikanische Weltbild dabei kein Thema, obwohl es mindestens drei Stellen der Heiligen Schrift widerspricht - sofern man diese wörtlich auslegt.  


Wie es in Venedig heißt, sei Bruno vom rechten Glauben völlig abgefallen. Er sei nicht nur Ketzer, sondern sogar ein „Ketzerfürst“.

Er habe in Genf unter Calvinisten, in England unter Anglikanern und in Deutschland unter Lutheranern gelebt und deren Glauben angenommen.
Er leugne die Fleischwerdung Christi, das Dogma der unbefleckten Empfängnis und die Heiligen.

Bruno schwört ab, um der Auslieferung nach Rom zu entgehen. Doch Bruno ist kein Venezianer, sondern Neapolitaner: Der Doge gibt dem Drängen Roms schließlich nach, Bruno wird an den Tiber überstellt.
Es folgen fast sieben Jahre Haft in der römischen Engelsburg: Die Akten dieses Prozesses fehlen weitestgehend, da sie im 19. Jh. als wertlos erachtet und vernichtet worden sein sollen.

Wie man annehmen darf, wurden in Rom gegen Bruno sehr ähnliche Vorwürfe wie zuvor in Venedig erhoben. Dafür spricht auch eine unabhängige zeitgenössische Quelle.  

Somit geht es im Inquisitionsprozess gegen Bruno vorrangig um theologische Fragen. Aber auch seine Behauptung von der Vielzahl der Welten kommt zur Sprache. In Rom schwört Bruno nicht mehr ab, sondern trotzt seinen Richtern.
Bruno wird der Ketzerei und Magie für schuldig befunden und den „weltlichen Behörden“ übergeben - mit der herkömmlichen Bitte um eine milde Strafe ohne Blutvergießen. Er stirbt den Flammentod am Scheiterhaufen.

Die kopernikanische Lehre selbst wird erst 16 Jahre nach Brunos Tod verboten: Sie darf fortan nur als Hypothese, aber nicht als zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit betrachtet bzw. gelehrt werden. Als Galilei 1633 gegen dieses Verbot verstößt, macht man auch ihm den Prozess. Galilei schwört ab. Aus diesem und anderen Gründen kommt er mit lebenslangem Hausarrest davon.

Im 19. Jahrhundert entsteht eine stark antiklerikale Stimmung. Auch weil die katholische Kirche gegen die Vereinigung der italienischen Fürstentümer opponiert – aus Angst vor Machtverlust. Spätestens jetzt gelten Bruno und Galilei als Märtyrer der Wissenschaft. Bruno wurde aber nicht seiner naturwissenschaftlichen, sondern primär seiner religiösen Überzeugungen wegen hingerichtet.
Text und Fotos bzw. Fotomontagen © Dr. Christian Pinter                                                              
Artikel in der Wiener Zeitung

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/geschichte/2069648-Giordano-Bruno-Gefangen-in-der-Engelsburg.html

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/geschichte/2177610-Im-Himmel-wie-auf-Erden.html
Literatur

Von Giordano Bruno

  • Von der Ursache, dem Princip und dem Einen
(Verlag „Das europäische Buch“; Verlag Holzinger)
  • Über das Unendliche, das Universum und die Welten (Reclam)
(als kindle-Edition: Vom unendlichen All und den Welten)
  • Das Aschermittwochsmahl (Insel Taschenbuch)


Über Giordano Bruno

  • Scherzinger, Klaus
Giordano Bruno – Märtyrer der Gedankenfreiheit (Vergangenheitsverlag)
  • Kirchhoff, Jochen
Giordano Bruno (rororo)
  • Inquisitionsakten – Akten des Ketzerprozesses von Giordano Bruno
(Kuhlenbeck, kindle-Edition)
  • Giuliano Montaldo (Regie)
Giordano Bruno - Spielfilm, Italien 1973, ohne Untertitel
Mit: Gian Maria Volonté, Charlotte Rampling, Hans Christian Blech, Mathieu Carriere
Mehr als 3.000 Besucher!
Zurück zum Seiteninhalt